Eine Stadt ohne Herz: Singapur

Veröffentlicht am 15. Juli 2023 um 06:00

Ich reiste mit dem Schnellboot zurück nach Batam, ließ mich in einem Spa verwöhnen und nahm dann die Fähre nach Singapur. Schon von weitem sieht man die hoch aufragenden, 40 und 50 Stockwerke hohen Büro-Banken- und Hoteltürme.

Wo einst die Compounds, die quirligen Quartiere der Chinesen, Indonesier, Malaysier, Inder und Araber standen , wo es nach Gewürzen aus aller Welt roch, nach scharfem Chili, nach süßem Paprika, nach beißendem Ingwer und nach erdig-trockenem, süß-scharfen Curry… wo die Seidenstoffe feilgeboten, Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch mal frisch wie eine Meeresbrise, mal modernd, mal beißend, mal mit Fliegen bedeckt oder in heißen Fett brunzelnd, wo sich die Kanalisation ins Meer ergoß und das Wasser „lebte“… dastehen heute die Weltwirtschaftsgiganten in Reih und Glied, mal schwarz und drohend, mal schimmerndes Metall, mal weiß und elegant in der sengenden Hitze Singapurs und immer mit dem Anspruch, noch größer, noch schöner, noch besonderer zu sein.

 

„Mein Compound wurde vollständig abgerissen“ sagt mein Taxifahrer und wir gleiten über die Autobahnen, die die Stadt durchdringen, umrunden, erschließen.Die ehemaligen Quays gibt es noch, den Clarke- und den Boat-Quay, hier werden aber keine Dschunken und Hochseefrachter mehr entladen, hier ist jetzt die Partymeile von Singapur, adrett aufgereiht die Restaurants und Gasthäuser, aus denen Karaoke, Disco oder Hardrock schallt und die Flanierstreifen zwischen Wasserfront mit ihren Außen Sitzplätzen und den Restaurants und ihren großen Küchen  akustisch überflutet.Überall Menschen, meist junge und viele Touristen, die hier die Abende im lauen Wind der Flussarme verbringen.

Auf der Suche nach ein bisschen Flair und altem Singapur suche ich auf dem Stadtplan die Begriffe, die doch so in manch anderer Hafenstadt buntes lebendiges Treiben versprechen. Ich werde fündig: Chinatown, Arabquarter, Little India…und mache mich auf den Weg.Chinatown ist gleich um die Ecke meines Hotels und ich freue mich auf ein kleines Restaurant mit „local people“ und Stimmung. So erreiche ich das im Stadtplan so bezeichnete Quartier und treffe auf Restaurants, alle in Reih und Glied, alle etwa gleich groß, mache mehr wie ein Pub, mache elegant, mache eher einfach, die meisten. Große Teile sind mit riesigen Mall Dächern, überdacht…die Fassaden pittoresk, aber eigentlich grotesk, den alten „chinese houses“ nachempfunden. Ich finde sogar eine Strasse, da sind noch alte Mauern zu sehen. Aber hier wohnt kein Mensch mehr…hier ist nur Business. Die Chinesen sind vertrieben, in Neubauten am Rande der Stadt, denn auch Slums oder Barackenhäuser, wie es sie früher gab, sind längst verschwunden.

Es ist leer am Morgen und ich frage mich wer denn hierherkommt. Dann, plötzlich, es ist noon…12.00 mittags, ergießen sich aus allen Weltbankgiganten tausende von Menschen, jung meist….die Alten entdecke ich in den einfachen Restaurants, vermutlich besaßen sie sie früher einmal, eine Garküche am Strassenrand, bevor Singapur clean wurde . Sie kochen immer noch, hier in den Fakehäusern von einst oder räumen hinter den Jungen her, die den Welthandel vorantreiben.Die Warteschlangen sind lang, man scheint daran gewöhnt, man trifft sich beim Warten, quatscht, lacht, isst im Stehen…das können sich die jungen Angestellten aus den Bürotürmen gerade noch leisten……denn……Singapur ist extrem teuer.

Schlag 13.00 ist das ganze Schauspiel vorbei, alle sind zurück zu ihren PS´s und anderen Technikpartnern und dealen mit der ganzen Welt.

Ich bezahle für eine einfache Nudelsuppe 18.00 € ohne Getränke.

Singapur schläft nie, denn wenn es hier Zeit ist zu Bett zu gehen, dann stehen sie erst auf in den anderen Handelsmärkten dieser Welt … New York, Frankfurt, London. Nach Hause geht hier jeder, wie er kann, muss und soll. Chinatown ist am Abend flau und nur Touristen schlendern durch die Budenzeilen, in denen Klamotten, chinesische Katzen mit wackelnden Köpfen und anderes Massenzeugs aus Plastik angeboten wird. Vereinzelt finden sich Geschäfte mit Handwerk, eine wohltuende Abwechslung.Die anderen Vierteln, die heute noch so heißen wie einst….Little India, Arabquarter… sind genauso strukturiert, historisierende Fassaden, alle gleich, so dass die Monotonie den Versuch, hier auf das Alte aufmerksam zu machen, verschluckt.

LitteI-India steht heute für Goldkauf, ein paar Stoffe und jede Menge indischer Restaurants, das Arabviertel bietet entsprechend arabische Kost, in 2 drei Straßenzügen gibt es ein paar Boutiquen mit arabischen Artikeln. Die Gerüche von einst werden durch großen Absaugmaschienen gefiltert und dann wieder in die saubere, geklärte Luft dieser sterilen Stadt geblasen.Singapur ist die sauberste, sicherste und teuerste Stadt der Welt. Ich habe mein Hotel schon vor 9 Monaten gebucht und wohne bezahlbar.

Singapur die Stadt der Superlative, hier ist jeder Stein mit Bedacht gesetzt, hier steht 500€ auf das Ausspucken von einem Kaugummi und hier wurde Anfang August eine Frau hingerichtet, bei der man Heroin fand. Hier gibt noch die Prügelstrafe mit langen Rattanpeitschen in die Seite, die präzise von ausgebildeten Offizieren ausgeführt werden. Bis auf die Rippen zerschneidet das Rattan das Fleisch. Wer vor Ende der 10 oder 12 oder 20 Hiebe, je nach Schwere der Straftat, ohnmächtig wird, verbleibt in Haft, bis die Wunden geheilt sind, dann geht es weiter, bis der letzte Peischenhieb bei vollem Buwußtsein durchlebt wurde.

Singapur eine Stadt der Perfektion, des Geldes, eine Vorzeigestadt. Millionen von Bäumen wurden in den vergangenen Jahrzehnten gepflanzt, Begrünung an allem was sich eignet, um den CO-2 Ausstoß vor allem durch die unvorstellbar vielen AC-Geräte zu minimieren- vorbildlich, oder? Aber zu welchem Preis? Die Menschen verloren samt und sonders ihre Wurzeln. Natur zurück in eine Stadt, die alles an Natur gefressen hat, was einst das ganz besondere war….Riesenfarne, Gigantische Teakholzbäume, Lianen, Moose und  Blüten von unvorstellbarer Schönheit….so zeigt es das Nationalmuseum auf seinen Bildern.Singapur eine Stadt, die einst von Kolonialherren besetzt und ausgebeutet wurde, zu einem der größten Handelsplätze der asiatischen Welt aufstieg und Menschen aus allen Herren Ländern Arbeit und Heimat bot. Aus diesem Mix gingen die Singapurer oder auch Singapurianer hervor und dem Ende der Kolonialisierung übernahmen sie ihre „Stadt“.Doch was haben sie daraus gemacht?

 

Weder die Strände noch die alten Quartiere, Quays oder Parks existieren. Neu, Neu, Neu, alles neu, sauber steril, perfekt und für die Touristen Superlativen der Unterhaltung und Bewunderung.

Diese Orte auch zu entdecken schloss ich mich einer nächtlichen Fahrradtour an und erradelte mir das Formel 1 temporär-Stadium, den ehemaligen Hafen mit dem Sands-Hotel in dem das billigste Zimmer 2000€ kostet, die dazugehörige Super- Mall und das alten Postgebäude, von dem die Post in alle Welt ging. Äußerlich steht es noch und ist heute ebenfalls ein Hotel.

Umrundet man den „Hafen“, auf dem heute nur noch Böotchen fahren, gelangt man in den Garden of the Bays mit seinen gigantischen Treibhäusern und Bäumen aus Metall, die immer mehr begrünen und Tieren Lebensraum geben. Garden of the bay…..allabendlich erklingen die Töne der berühmtesten Musical der Welt….15 Minuten lang und die Bäume, deren metallene Äste mit Leuchtdioden umwickelt sind und auf Tönen mit verschiedenen Farbenreagieren, lassen eine Welt der Magie entstehen, die seinesgleichen sucht. Jeden Samstag übt das Militär den Jahrestag, ohrenbetäubend rasen die Starfighter über den Himmel und brechen zu den Seiten über dem Hafen aus, fliegt das Präsidentenflugzeug in Begleitung im Tiefflug und zwingt zum Verstummen, dort wo nur 30 Minuten später die 9.von Beethoven akustisch und visuell in den Bäumen erklingen wird.

 Diese Stadt, steinern, gigantisch, riesig, klimatisierte Malls, die ineinander fließen und es möglich machen keinen Schritt mehr in die Hitze setzen zu müssen, Parks, die Stille bieten, Fakehouses, die an alte Zeiten erinnern und Überreste von ein paar wenigen historischen Gebäuden, diese Stadt, in der scheinbar nur Junge leben und die alten Sichtbaren eher die Kofferträger und Saubermacher sind, sie bietet alles, was man sich nur wünschen kann: Kultur, Konsum, Fresstempel mit allem Geschmacksrichtungen, auch schon mal ein paar kleine Geschäfte, selten aber es gibt sie. Gegensätze und Gleichförmigkeit, Glimmer, Glitter, Wouwww  … nur eines bietet sie nicht, diese Stadt: ein Herz!  Singapur ist eine saubere, perfekte und eiskalte…trotz 32°im Schatten, dem Geld verpflichtete Stadt… ohne Herz! 

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