Tod und Leben…eine gelebte Symbiose

Veröffentlicht am 16. Mai 2023 um 16:36

Wer das Leben vom Tod her denkt, denkt es in der Würde seiner selbst.

(Chr. Schüle in : Wie wir sterben lernen).

Wie schon erwähnt werden der Phallustempel und der goldene Tempel durch den heiligen Fluß voneinander getrennt. Am Ufer dieses Flusses, wie an vielen Flüssen in Nepal, befindet sich zu Füssen des goldenen Tempels eine der unzähligen Verbrennungsstätten der Toten in Nepal.

Die Verstorbenen müssen binnen 24 Stunden verbrannt werden und ihre Asche wird Immer einem Fluss übergeben, der am Ende in den heiligen Fluss Ganga, uns bekannt als Ganges, mündet.

Die Verstorbenen werden unverzüglich (es gibt hier extra „Mort“ Ambulanzen) zum Verbrennungsort am Fluß gebracht. In der Regel sind nur die männlichen Angehörigen anwesend, es sei denn es gibt keine . Man muss sich das Flusswasser allerdings nicht als helles klaren Wasser vorstellen, die Flüsse sind stinkende Kloaken, aber das spielt hier keine Rolle.

Die Verstorbenen werden gewaschen, erneut aufgebahrt, mit weiteren Ritualen verabschiedet und dann geminsam zu Scheiterhaufen getragen. Erst wenn die „Seele explodiert“ ist und der Scheiterhaufen vollständig niedergebrannt ist, es nur noch einen Haufen Asche gibt, wird mit heiligem Flusswasser die Asche in den Fluss geschoben.

Derweil hat der älteste Sohn, wenn der Vater gestorben ist oder der jüngste Sohn, wenn die Mütter gestorben ist, ein weißes Trauergewand angelegt, dass er nun 45 Tage tragen wird (früher ein Jahr) . Ein weiteres Ritual wird vom Priester in der Runde der hier ausschließlich versammelten männlichen Angehörigen, vollzogen.Der Trauerkleidung tragende Sohn wird sich nun in den folgenden 13 Tagen nur in einer Ecke eines Zimmers in seinem Haus zurückziehen, nur Reis essen und allein bleiben. Diese 13 Tage sind gesellschaftlich selbstverständlich, so dass auch ein Arbeitgeber das Gehalt weiterzahlt. Auch dass am Tag der Todes alle männlichen Angehörigen die Arbeit verlassen, um das Totenritual  zu vollziehen, ist fester Bestandteil der Kultur. Die Frauen bleiben am diesem Tag zu Hause.

Durch das öffentlich Bestatten, das Integrieren des Todes in das Leben soll jedem Lebenden bewusst werden, dass am Ende auch wir nur Asche sind. Es soll die Menschen dazu anhalten ein Leben mit Demut gegenüber den Geschenken des Lebens zu führen und sich von Hochmut, Eitelkeit und Gier zu befreien.

Diese Erfahrung an diesem heiligen Ort hat mich tief beeindruckt. Ist das Leben noch so laut und hektisch, hier kommt es zur Ruhe, hier herrscht Stille, hier kann sich jede und jeder darauf besinnen, dass wir alle diesen Weg gehen werden.

Das „Fahrzeug“ Shivas, sein Reittier, der Stier, der symbolisch die Seelen der Verstobenen in das nächste Leben bringt, lag mit einer schon beängstigenden Präsenz auf der gegenüberliegenden Seite.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.