Schweigen

Veröffentlicht am 3. Juni 2023 um 10:43

Viele in Europa und anderen westlichen Kulturen wissen nicht wirklich viel über den Buddhismus, belächeln die Suche nach Erleuchtung und halten die Wiedergeburt für Nonsens.

So stellte auch ich fest, dass ich die Worte oft nicht richtig interpretiert habe und  mir wurde nochmals klar, das Erleuchtung nichts anderes ist, als sich selbst zu helfen aus den Hamsterrädern und sich ewig wiederholenden Sorgenkreisen herauszutreten und die eigenen Seele, das eigene Bewußtsein zu heilen und zufrieden zu werden, den Kampf mit Anderen zu beenden und  mit Einfühlung und Verständnis auf sich und andere zu schauen, zu lernen sich selbst und Anderen zu verzeihen, sich selber gegenüber nicht so streng zu sein und Andere so zu lassen wie sie sind. Und das ist eine Art Wiedergeburt…das eigentliche Sein seiner selbst. Hört sich mächtig pathetisch an...lohnt sich aber, mal drüber nach zu denken.

Der Weg dahin führt über die Schweige-Meditation und ist verdammt schwer. Und ich machte nur einen winzig kleinen Schritt in diese Richtung, denn das ewige Üben und das Schweigen, um die inneren Worte zu hören und hoffentlich zu verstehen, ist notwendig, um wirklich aufzuwachen.

Ein buddhistischer Tempel der Therravadaschule nahe dem Dschungel von Chiang Mai in Thailand, sein Zentrum eine 500 Jahre alte Stupa, die Tempelgebäude 200-300 Jahre alt, gerade restauriert, erstrahlen gülden, reflektieren die Sonne, die in diesen Zeiten eine erbarmungslose Freundin ist. Die hohen Dächer gestützt von gigantischen Teak-Baumstämmen, die schon vor langer, langer Zeit geschlagen wurden. Hier wohnt Buddha, in riesenhafter Gestalt oder in vielen kleineren Ausgaben, goldüberschüttet mit mildem Gesicht und gütigen Augen hält er Wacht über die Übenden und über die, die lernen wollen, wie das geht: Erwachen, nicht mehr angetriggert werden von den täglichen Kleinigkeiten, wie verwaschene weiße Hemden aus der Laundry… dem Sein, dem Dasein, den Vorrang vor den Gedankenaffen zu geben, die ständig reden und eine Meinung haben und die die hier Lernenden antreiben zu denken, zu planen oder zu verarbeiten, statt nur zu Sein, hier und heute, nur hier und heute.

Nagas (Schlagen) und Drachen und anderen Ungeheuer beschützen  die Tore, Dächer und heiligen Hallen für all diejenigen, die   versuchen wollen, es anders zu machen, lernen wollen sich zu konzentrieren auf das, worauf es wirklich ankommt, die dem lauten inneren und äußerem Geschrei der Gedanken und Worte eine tiefe Ruhe und Gelassenheit entgegenhalten wollen, die ihr Dasein selber in seiner Fülle bewusst erleben und sich nicht leben lassen wollen von anderen, die erwarten, fordern und verurteilen. Hier ist es still und der Lärm des Draußen, der Handys, Autos und ewigen Musiktöne erstirbt

Hier wandeln wir gehend, stehend, sitzend in genau getakteten Einheiten, langsam, innehaltend wenn die Balance nicht stimmt, atmend: 1-2, 1-2, 1-2, wenn die Gedanken toben, weil sie nicht mehr wichtig sind…denn es geht nicht um denken, grübeln, analysieren, es geht um die Fähigkeit, sich auf das zu konzentrieren was ist, um heute die angemessenen Schritte zu gehen, nicht mehr aber auch nicht weniger. Denn egal was du tust, du tust es immer im Jetzt…du denkst nur im morgen und gestern, aber jedes Handeln ist immer Jetzt.….Vergangenes ist immer Teil des Heute und deshalb nicht mehr wichtig…Zukunft ist nicht sicher...Ständiges planen und agieren nur ein Versuch die Angst vor Leere in Schach zu halten und sich sicher zu fühlen. (Es geht nicht um das Notwendige…es geht um das Zuviel, Dauernd und Atemraubende).

In allen Räumen des Tempels, den Buddhahallen, der Bibliothek, dem AC-Meditationsraum darunter, der großen Halle und im Wandelgang, auf dem Platz, auf dem sich die alte Stupa ganz ohne güldenen Schmuck in den Himmel reckt… das bauliche und vor allem energetische Zentrum der Tempelanlage…wandeln wir, ganz in weiß gekleidet, schweigend, bei sich. In den Pausen, die jeder selber bestimmt, gibt es einen Convinient Store für Seelenfutter - aber nur bis 12.00 ist essen erlaubt, danach nur noch Flüssiges - , denn es ist anstrengend, so anstrengend und sehr schwer, nur bei sich zu sein, sich nicht abzulenken durch reden, diskutieren, sich ins rechte Licht rücken, gar Recht zu haben.

Um 4.00 erklingt die Glocke und überall rühren sich die Meditierenden, die 50 Mönche und 30 Nonnen sind schon auf dem Weg zu Ihren Tempeln, in denen sie morgens ohne uns meditieren.

Um 4.20 beginnt das Ritual des Tages unserer Meditationsgruppe mit Gesängen, denen ich lausche, weil die Silben aus dem Sanskrit doch zu schwer sind…aber…eigentlich helfen sie, sich zu konzentrieren, denn jetzt ist singen dran und nicht daran denken, wie die Reise vielleicht weitergeht, weil die Radtour in Neuseeland abgesagt wurde.

Um 5.00 das Meditationswarming up und die erste Rund: Gehen…stellt euch Zeitlupe vor… Sitzen. Zuerst je 15 Minuten ein Set, später länger und möglichst 4 Sets hintereinander. Das sind min. 2 Stunden. Morgens aber reicht dazu die Zeit nicht, denn um 6.15 klingt die Glocke. Hell, bimm, bimm, bimm und ruft uns zum Platz neben der Stupa zum Frühstück…Thaireiseintopf. Ich esse vegetarisch.

Um 10.30 ruft es wieder bimm, bimm, bimm zum Mittagessen, reichhaltig, abwechslungsreiches Thaifood. In der Pause zwischen beiden Mahlzeiten wird geputzt, gefegt, gewaschen, wer Zeit findet meditiert.

Und dann bestimmt jede/r selber, wann, wo, das wie lange wird im täglichen Meisterreport besprochen. Nichts anderes, nur Meditation und ggf. ruhen. Ich beginne mit 15min/ 15min und mache 2 Sets am Tag, dann 3 dann 4 .

Wenn die Nacht kommt und die Hitze erträglicher wird, wenn dir nicht mehr der Schweiß den Rücken runter läuft, wenn du wieder atmen kannst und die Moskitos schlafen gegangen sind, wenn es fast lau ist, still und nur noch der Schein der Kerzen, den die Meditierendn rund um die Stupa anzünden,  im leichten Abendwind flackert, wenn wir die Stupa umrunden, im Schweigen, langsam, wenn die Geräusche des Dschungels, das wie Motorsägeblätter an Metall klingende irrsinnig laute Singen der Zikaden, das Einzige ist, was du hörst, wenn deine Füße jede Unebenheit ertasten, dein Körper sich in Aufrichtung ausbalanciert und es keine Zeit mehr gibt, nur noch du und die Stille und dieser uralte Ort...ja...in diesen Momenten habe ich tiefes Glück empfunden, fast Unendlichkeit...

Jamie aus Oregon, Emi aus Indonesien, Leo aus Indien und Thailand, Dimitri aus Russland und Berlin und "unsere" Nonne ,waren mit mir auf diesem kurzen Weg. Mag sein, wir verlieren uns wieder…mein Dank aber für das Sein, Bleiben und gemeinsame Erleben der Tage und Nächte im Wandeln in Stille, im Aufatmen wenn die Nacht etwas Wind brachte, mit der Kargheit unserer Schlafstätten, in der tief empfundenen Demut über einen Weg, der uns allen ein Ausweg aus der Hektik, der Oberflächlichkeit und des Desinteresses sein könnte … einmal am Tag, nur einmal zur Besinnung kommen….einmal am Tag…ein Anfang, aus sich selbst heraus zu treten und die Dinge, die Menschen, die Entscheidungen anzuschauen und natürlich … einfach mal die Klappe halten …. und das gilt natürlich auch für mich!

Aber dann kommt mir die Hitze in die Quere. 38-40°, nicht immer ist der AC-Meditationsraum frei … ich kann nicht mehr…und so beende ich nach 10 Tagen die Zeit im Tempel. Die Nächte sind heiß, die Tage unerträglich für mich, aber als ich in die Stadt zurückkehre hat sich etwas verändert…ich erlebe die Entspannung, die Schweigen und Innehalten hat und stehe so fest wie noch nie auf meinen beiden Beinen….geerdet!  Ich weiß, es wird nicht anhalten ... ich muß üben!

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