Bali...für die Götter Kaffee kochen

Veröffentlicht am 5. September 2023 um 00:58

Erholung war angesagt, ja und die hatte ich dann auch auf allen Sinneskanälen, die dem Menschen zur Verfügung stehen. 

Bali die Insel der Liebe, so sagt man doch seit dem Film: eat, pray and love, oder? Dieser Film hat in meinen Augen ziemlich viel Negatives nach Bali gebracht. Ob Julia Roberts sich dessen bewusst war?

Seither reisen in Strömen die Heilungssuchenden nach Bali, suchen im Außen, was sie im Innen verleugnen oder verdrängen oder nicht aushalten.Loslassen, wenn ich das schon höre. Man kann sein Leben nicht loslassen, das gehört ja zu mir, das bin ich und das kann ich nicht einfach loswerden. Also nun reisten sie damals  alle nach Bali, um den Heiler auf zu suchen, der sie heilen soll…bums…mit einem Schlag ist alles gut. Da wurde was vergessen, nämlich die knallharte Arbeit an sich selbst, sich mal mit Abstand zu betrachten und die anderen im Übrigen auch, um dann Wirklichkeit zu sehen, denn das ist unbequem. Der 2 Satz der mich auf die Palme bringt ist: das schaffst du schon……warum sagt der Autor dieses Satzes nicht schlicht: das interessiert mich nicht, mach das mit dir aus. Das schaffst du schon…eine größere Gemeinheit gibt es doch gar nicht. Deutlicher kann man doch Abwehr gar nicht machen. Wie wäre das mit der Frage: brauchst du Unterstützung, um eine Hürde zu nehmen, um etwas zu verstehen, um etwas zu tun?

Außerdem hat diese preußische Grundhaltung doch rein gar nichts mit Mensch sein zu tun. Meiner Meinung nach geht es auch nicht um „schaffen“, es geht darum, seinen persönlichen Weg zu finden, nach seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten, Wünschen und Verantwortlichkeiten. Ja und vielleicht ist man auch schon mal falsch abgebogen, hat etwas nicht geschafft…und dann…ist man dann ein Versager? Leben ist kein Spaziergang und all diese Heilsuchenden wollten es aber nur als Spaziergang haben…einmal zum Heiler in Ubud und zurück und alles wird gut.

 

... und wie sieht es in Ubud heute aus

Opfergaben für eine "Heilungszeremonie"

gebratenes Huhn,Reis, Süßigkeiten, Räucherwerk

Er sucht sicher nicht seine Heilung

Ubud heute:

Cafes, Trallala und Shopping

Der alte Mann, der damals Julia Roberts das Heil brachte, heute ist er dement und seine Familie vermarktet ihn immer noch. Ist reich geworden, hat Ferienhäuser gebaut und Heilung gleich mit vermietet. Und das haben ihm Viele nachgemacht.

Balinesen wie andere, die Heilung mit allem möglichen verknüpfen und verkaufen, nur die harte Arbeit an sich selbst, von der will hier keiner was hören.

 Insel der Liebe… Bullshit…Insel der Geschäftemacher. 

Und so hab ich Bali vom ersten Tag an erlebt. Jede und Jeder wittert Geschäfte. Ob es die Sarongverkäuferin am Strand ist, die dich zum 100sten Mal frägt: Looki- Looki, Saron? Und wenn du unmissverständlich ablehnst, dann ist es auch vorbei mir der Freundlichkeit.

Oder der Bootsfahrer, der mir jeden Morgen wieder die Dolfintour andrehen will, wo hunderte von Booten die Delfinschulen jagen oder der Guide, der gleich dies, das und jenes noch mit anbietet und damit einen satten Gewinn einstreicht, denn er vermutet, dass ich die Preise nicht kenne (was in der Tat am Anfang auch so war). Also versuchen sie schnell zu sein, dir weis zu machen, sie haben alles und sie wissen alles und sie können dir im Zweifel auch alles besorgen. Sie versuchen dich einzuwickeln, damit du ja sagst, bevor du die Wirklichkeit begreifst. 

Ja, man könnte also vorsichtig sein, um nicht über den Tisch gezogen zu werden…wenn da nicht dieser verdammte Charme der Balinesen wäre, diese dunklen Augen, dieses Lächeln, dass es sonst so nicht gibt, die samtige braune Haut, die so ebenmäßig und unschuldig aussieht, das Freundliche, das Zuvorkommende und das Take Care…ich passe auf dich auf. Tja und schon fühlt man sich gesehen, beachtet …. Nichtsahnend, dass das jeder auch mit jedem anderen Menschen macht…und sagt ja, zu allem, was da so angeboten wird.

Die Balinesen sind Manipulationskünstler. 

Einen schalen Geschmack, nein, den sollte man nachher nicht aufkommen lassen…denn es war ja auch schön, es waren ja auch Erlebnisse und Begegnungen…vielleicht schon mal zu teuer, aber dennoch, wenn man sich einlässt und versucht das Gegenüber zu verstehen, dass sie Geld verdienen müssen, um über die Runden zu kommen nach Covid, denn der Tourismus kommt nur schleppend in Gang, dann bekommt alles einen anderen Sinn.

 Ich lernte meinen Guide genauso kennen und bezahlte manche Rupie zu viel, aber da ich lange da war, durchschaute ich ihn bald und wir fanden ein gutes Agreement. Ich bezahlte die Ausflüge fair und bezahlte ihn als Guide im Stundenlohn.Wir freundeten uns an und so bekam ich Einblick und Zugang in und zu seiner Familie, in die hinduistischen Gebräuche und Riten, in kulturelle Ereignisse.Nicht selten wurde ich eingeladen, ging mit in dieTempel zu Zeremonien in angemessener Kleidung. In meiner Zeit in Lovina im Norden der Insel wurde gerade Galungan und Kuningan zelebriert, zwei Feste, die alle 210 Tage zur Ehrung der Toten und für das Leben stattfinden. Die Tage liegen 10 Tage auseinander und währenddessen finden unendlich viele Zeremonien statt. An Kulingan wird weiß getragen, an Kulingan gelb. Die Straßen sind mit aus Bambus filigran gesteckten Schmuck gesäumt, die Frauen und Männer tragen ihre traditionelle Kleidung, zumindest im Kontext der Zeremonien, oft auch darüber hinaus.

So war ich zum Kulinganfest mit meinem Guide in seinem Tempel im Dorf oben in den Bergen. Anschließend aßen wir bei seiner Cousine…das sollte nicht das letzte Mal gewesen sein. Geopfert wird täglich. Jeden Morgen werden alle Tempel, Tempelchen, jeder Haus-Altar  und jeder Hauseingang mit Essen und Getränken, vorzugsweise Balikaffee, versorgt……Kaffeekochen für die Götter….das ging vor, nichts anders spielte zu dieser frühen Morgenstunde eine Rolle.

 

Der Hinduismus beherrscht das ganze Leben, ist quasi das Leben. Die Zeremonien verschlingen viel Geld, dienen aber als Zusammenkunft, für gemeinsames Essen, zur Versorgung der Mittellosen, zur Begegnung schlechthin, also der Gemeinschaft. Die Cremationzeremonie der verstorbenen Tante alle 2 Jahre kostet ca. 50 Mio Rupien( 8500.00€) jeder Familie muß hier ca. 3.5 Mio (ca.600€) aufbringen…und das ist nur eine Zeremonie. Wenn man bedenkt, dass das Minimum zum Leben im Monat 10 Mio (1500€) beträgt (und dann muß man schon auch einen eigenen Garten, Hühner und Schweine haben), ist das recht viel. Aber keine Balinese stellt das in Frage. Das ist die Kultur, die Religion. In der sind sie geborgen, in der leben sie und in der sterben sie, basta!

Und so verflogen die 6 Wochen in Lovina mit Motorscooterausflügen (das ist hier das gegebene Mittel der Fortbewegung, leider, denn sie sind laut und dreckig, aber schnell) in die Berge oder an die Strände, mit dem Taxi zum Mt. Batur und den weltbrühmten Reisterrassen, zum Essen in versteckz Lokale, zu Familientreffen oder einfach nur raus in die Landschaft...wir hatten viel Spaß, lachten über das Gleiche und fanden Gefallen an so Vielem.

1 Woche Rekreation gönnte ich mir im Bali Mandala, ein kleines Wellnessresort auf der östlichen Seite von Singaraja. Gegründet von Deutschen vor 25 Jahren hat es sich seinen Charme und seine Energie bewahrt. Ich traf 2 Frauen aus München – wir schreiben uns seither, sie reisen im Blog mit und ich hoffe, wir verlieren und nicht…Soulmades.

Und dort entdeckte ich dann auch meine Balimaske. Auf einem Hausaltar des örtliche Webers. Sie stammte von seinen Großeltern und stellt den 1. König von Bali dar. Er war zuständig für den Advise der Menschen zu Themen des guten Benehmens, der Erziehung und der Lebenskunst in den tanzenden Theaterstücken.In einer Zeremonie mit dem hauseigenen Priest (mußte selbstverständlich gut bezahlt werden) wurde die Maske ausgesegnet und zu mir rüber gesegnet. Jetzt wartet sie in einem Paket, dass sie ein Gast mitnimmt nach Deutschland und dann verschickt.

 Und dann war die Zeit vorbei…mir wurde noch eine Balivilla zur Nutzung mit Pool in den Bergen im Frühjahr angeboten…ich denke daran vor meiner letzten Reise nach Bhutan und dann weiter mit dem Schiff über Mumbai nach Griechenland, hier die letzte Ruhephase einzulegen.  

Leider aktivierte sich meine Ohrentzündung nach 3 Wochen Bali wieder durch Wasser beim Schwimmen und ich musste nochmals starke Medikamente nehmen. Bis zum Abflug nach Papua-Neuguinea wurde es nur langsam besser. Die netten Genesungswünsche per What`s app taten gut…

Am letzten Abend, Fullmoon, die Berge standen wie Schattenrisse gegen den hellerleuchteten Himmel, erlebte ich den Fullmoontanz bei einem Nachbarn meiner Guide- Familie mit Gamelanmusik. Dieses Event war für alle Nachbarn, ich bezahlte mit Rupien den Tanz und die Musik und mit frisch geschlachteten Hühnern aus dem Stall meines Guides auch das gemeinsame Essen…wer in Bali das meiste Geld hat, bezahlt. Das war meine Rolle an diesem Abend, aber ich bereue sie nicht. Es waren so nette Begegnungen und noch nie habe ich balinesisch getanzt, mit den Männern auf der überdachten Plattform als Mittelpunkt des Hausplatzes gelacht, mit Händen und Füßen geredet und Reisschnaps getrunken, mit den Frauen gekocht, den Altar mit gutem Essen versorgt…am Abend bekommen die Götter Reisschnaps…und wurde am Ende von jedem Besucher mit Handschlag, guten Wünschen und einem strahlenden balinesischen Lächeln verabschiedet  So sind sie wohl, die Balinesen oder sagen wir, so habe ich sie erlebt…umwerfend charmant, sehr hilfsbereit und gastfreundlich und große Geschäftemacher, die es mit der Wahrheit nicht immer so ernst meinen.

Zu diesen Dingen mag man denken, was man will, was aber wirklich eine Schande, ja eine Katastrophe ist, ist die Vermüllung und die Verbauung der Orte, die Zerstörung des Besonderen. Plastikflaschen überall…überall, selbst in den Privatgärten Plastik. Klar, die Balinesen haben immer ihren Rubbish weggeschmissen, aber damals waren das Bananenblätter zum einwickeln und Bambus…das verrottet, aber heut sind es Petflaschen, Plastiktüten, Zigarettenstummel- und Verpackungen, Fast-Foodboxen , das bleibt 100 Jahre.

Es ist ein Trauerspiel. Dazu die Verbauung mit Wellbleck und Beton. Selten findet man noch Naturmaterialien. Wie überall in Asien. Nur das Wellblech und Beton schäbig werden und heiß sind, während die Naturhäuser durchlüften können (aber man muss sie eben schneller ersetzen). Die Balivilla ist fast ausgestorben.

In Denpassar fand ich noch manch schönes Portal in den Gassen mit dahinterliegenden Innenhöfen…aber zunehmend wird abgerissen und an die Stelle der schönen alten Häuser treten Touristenklotzhotels.

In Ubud, der Julia Robertsstadt, findet man wunderschöne Haustempel, sie säumen die Straßen hinter Mauern und bilden den Eingang zu jedem Haus. Hier ist noch das alten Bali zuhause, Vögel zwitschern in den Gärten, Räucherstäbchendüfte wehen über Wege der Privatheit.  Wie lange haben sie eine Überlebenschance? Bis der nächste Investor soviel Geld bietet, dass die Besitzer nicht nein sagen können?

Die UNESCO schützt was geht, die Reisterrassen sind weltberühmt. Gesäumt aber werden Sie von unzähligen Restaurants und anderen Fress- und Klimbimbuden, das sieht man auf keinem Prospekt. Der Verkehr schiebt sich im Schneckentempo durch den Süden Balis…1 Stunde für 20 Km, trotz perfekter Straßen. Zwischen den Autor rasen die Skooter und Motorräder. Willst du schnell sein, buche ein Motorradtaxi!.

Bali war wohl einst eine zauberhafte, besondere Insel, heute erstickt durch Extrem-Tourismus und seinen Folgen. Ich habe mich nicht abschrecken lassen von all dem, ich habe den Blick vom Ganzen zum Detail schweifen lassen und dank meines Guides habe ich dann mehr als erwartet gefunden. Vor allem im Norden. 

 

Der Norden ist ruhiger, ich hoffe er bewahrt sich den Charme der 68iger Jahre, die Einfachheit der Strände, die 1-geschossige Bauweise an der Promenade mit den Sarongverkaufsbuden. Besonders charmant ist Lovina, westlich von Singaraja. Im Mittelpunkt die Dolfinstatue, der Treffpunkt aller, der Touris, der Werber für alles, der Guides und der Einheimischen.

Besonders am Wochenende, wenn alle frei haben mischen sich die Hautfarben, die Sprachen, die Kleiderordnungen zu einem lebendigen chilligen Miteinander.

Wenn der Abend kommt und die Hitze nachlässt, der Wind weht und die Palmen sich beginnen zu bewegen, die Sonne den Himmel über dem Meer dunkelrot färbt, dann liegt hier noch ein Zauber in der Luft, zwischen den charmanten und freundlichen Menschen, auf den Booten , die im Dunkel leuchten, am Feuer am Strand, wenn Jugendliche mit Gitarre und Trommel Musik machen und die Musik nur aus einer Stranddisco weit hinten dröhnt, auf den Plattformen, die am Tage Schatten spenden und am Abend für ein Schwätzchen oder zum Essen vom Streetfoodstand dienen...

..........dann kommt das Leben zur Ruhe, das Geschäftemachen hat ein Ende...

….......dann ist Bali doch noch ein bisschen altes Bali?

Es war schön hier, ich lasse Menschen zurück, die ich mag!

Am Morgen des 6. September breche ich zu meinem erwartet größten Abenteuer auf, frisch gestärkt mit menschlicher Zuwendung, nach Papua-Neuguinea.

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Kommentare

Stefan
Vor einem Jahr

Liebe Brigitte, wo steckst du denn? Ich habe jetzt schon zum zweiten Mal Borneo und Bali gelesen - und nichts Neues... Dabei muss ich gerade sehr oft dich denken, denn so langsam beginnt mein Umzug; seit einer Woche habe ich die Schlüssel. Und natürlich frage ich mich immer wieder: Was würde Brigitte dazu sagen? Oder: Wie hat Brigitte das gemeint?
Für dich vermutlich alles ganz weit weg! Und das ist ja auch richtig so. Also was immer du gerade machst: genieße die Zeit. Und lerne alles, was es zu lernen gibt.
Sei herzlich gegrüßt!
Stefan

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