Und dann kam doch noch eine Krise...

Veröffentlicht am 7. Januar 2024 um 05:12

 

Meine Zweite große Krise begann eigentlich schon in Neuseeland auf der Nordinsel.

Zu viel allein, dieses einsame Land, das sich im wesentlichen aus Familien zusammensetzt. Gastfreundschaft - keine Frage, aber zum Verweilen war die Zeit zu kurz und doch dann zu lang.

Die Reise auf die Marquesas hat mich beflügelt, hat meine Krise in den Hintergrund gestellt, aber die 10 Tage Bora-Bora waren eher deprimierend und spülten alles hoch, was noch in mir bearbeitet und verarbeitet werden wollte.

Ausserdem ließ meine Gesundheit  sehr zu wünschen übrig, ich habe viel Kortison gegen die Knieentzündung geschluckt. Auch hörte ich nur selten etwas von Menschen aus Europa, einige ganz Treue ausgenommen.

Als Singel muß man sich ja immer mehr anstrengen in Kontakt zu sein, Paare und Familien genügen sich i.d.R. selbst.

Das ich aber so schnell in Vergessenheit geraten würde, dass machte mich sehr nachdenklich.

Ja, ich weiß, das Leben geht auch da weiter und ich bin ja schließlich weggegangen. Dennoch…ich hatte mir gewünscht, dass da mehr Kontakt sein würde. Wird das Einfluss auf meine Rückkehr haben, werde ich nochmal überdenken, wer Freund und wer Zufall war?

Und so wurde und fühlte ich mich immer mehr als einsame Wölfin. Zunächst machte mir das gehörige Angst, denn das war es, was ich ja auf keinen Fall wollte.

Ich wollte ja auch mit dieser Reise einer deutschen Einsamkeit entkommen unter Menschen, zu denen ich eigentlich nicht wirklich gehört habe. Und so machte ich mir meine Erfahrungen zu eigen, reduzierte meine Kontakte nach Europa immer mehr und öffnete ich mich meiner jeweiligen Gegenwart, wand mich ausschließlich dem Neuen zu und das brachte mir immer mehr Flügel. Die Offenheit Anderen und Anderem gegenüber empfand ich zunehmend als selbstverständlich, ich lebte eine nie gekannte Freundlichkeit und Geduldigkeit, hatte Klarheit in Entscheidungen und meine ungebremste Neugier auf alle und alles, eine Mischung die in mir eine große Lebendigkeit erzeugte.

Ein wundervolles Gefühl, das die Anwesenheit von und den Kontakt zu Vertrautem immer weniger wichtig sein ließ. Dabei wird das Zuhause wieder anders sein, denn dann wird das Vertraute ja wieder zu den Kontakten, die das Leben ausmachen.

Ich lebe da, wo ich bin und gehe in Kontakt, da wo ich bin und es fliegen mir förmlich neue Erlebnisse, Menschen und viele Gefühle zu … ich glaube man könnte das "die Welt umarmen" nennen. All das erleben zu dürfen, nach Herzenslust entdecken, fühlen, analysieren, verstehen, ausprobieren....was für ein Geschenk.

Diese Krise, diese dumpfen Gefühle verwandelten und verwandeln sich bis heute  immer weiter in eine unbändige Lebensfreude, die ich gern bewahren würde.

In Momenten der Ruhe und des Nachempfindens dieses Glücks schwingt in mir aber auch eine Traurigkeit mit. Sie bezieht sich auf Dreierlei.

  • Das Eine ist, dass mir das Gegenüber fehlt, mit dem ich gerne diese unbeschreiblich schönen und tiefen Eindrücke und Erlebnisse teilen würde.
  • Das Zweite ist die Frage: Wie wird Deutschland werden, wie wird meine Rückkehr sein, wie werde ich dort leben...denn erzählen kann ich nicht, was ich wirklich erlebt und empfunden habe, damit werde ich in der Tiefe immer alleine sein....es ist und war ein Prozess, der in diesem Blog vielleicht seinen Ausdruck findet, aber erzählen...nein...nicht vorstellbar...vielleicht kleine Einblicke geben.
  • Das Dritte ist, dass ich es so sehr bedaure, dass ich erst jetzt mit 68 Jahren in der Lage bin, diese Welt so intensiv, bunt und lebendig, mit allen Sinnen zu erleben und das auch noch zu genießen. Mein Leben hatte viele Tiefen und Höhen ...erst jetzt hatte ich die Souveränität und den Mut zu gehen...in eine Welt, die es sich unbedingt lohnt zu entdeken.

Was alles hätte sein können, wenn das schon vor Jahren hätte möglich sein können, was alles hätte noch passieren können…nun, zu sehr prägt mich die Philosophie des Buddhismus, als das ich zurückschauen und an diesem „schade“ -Gefühl hängen bleiben würde.

Aber es ist da, dieses „schade“ und es will integriert werden in mein Leben ohne Bitterkeit, aber mit Wachsamkeit…mit jeder Faser meiner Selbst meine kommenden Jahre zu „umarmen“.

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Kommentare

Kramer
Vor 6 Monate

Liebe Brigitte, irgendwie kriege ich deine Berichte nur mit riesiger Verspätung. Aber immerhin! Schön, von dir zu wissen! Mit dem, was du von deiner zweiten Krise und ihrer Auflösung schreibst, kann ich eine ganze Menge anfangen. Und vielleicht können wir da mit unseren künftigen Gesprächen ansetzen. Bei den Reiseschilderungen, so gern ich sie lese und die Fotos anschaue, kann ich als jemand, der das alles nicht kennt unf nicht kennen lernen wird, immer nur Oh und Ah und Aha sagen. Aber die Frage, wie du wohl wieder zu Hause weitermachst oder eben nicht weitermachst, beschäftigt mich, sooft ich an dich denke. Und das ist allein schon der Wohnung wegen ziemlich oft.
Ich wünsche dir eine letzte glückliche Fortsetzung deiner Reise und ein glückliches Ende!
Stefan

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